Rückblick vom 14. und 15.9.2016
Der Tag beginnt mit einer ernsthaften Familiendiskussion: Jochen und ich sind frustriert vom Verhalten der Kinder. Immer noch fehlt uns die Eigenverantwortung, die Eigeninitative und der familiäre Teamgeist. Vor allem die Mädels beharren viel zu sehr auf ihrem Recht, können nicht nachgeben oder dem anderen einfach einmal etwas Gutes tun. Jede schaut nur nach sich, anstatt dafür zu sorgen, dass es uns als Familie gut geht. Sie nehmen nicht wahr, dass die Organisation der Reise in Äthiopien von Jochen und mir mehr abverlangt als in den vergangenen Ländern und dass sie sich infolgedessen auch mehr um das Familienwohlergehen kümmern müssen. So eine Reise kann nur gelingen, wenn sich jeder Einzelne um die Gemeinschaft sorgt. Wir hatten jetzt sieben Monate Übungszeit, nun sollte es eigentlich klappen.

Nach diesem sehr ausgedehnten und schwierigen Frühstück machen wir Schule. Auch hier verlangen wir von den Kindern jetzt mehr Eigenverantwortung, mehr Eigeninitiative, Eigenmotivation. Zumindest von den Großen. Es klappt ja eigentlich auch nicht schlecht, ich höre nur zu oft noch „Mama, was muss ich machen/anziehen/helfen/lernen/…?“ Sehen und handeln, das fällt manchmal schwer.

Nach dem Mittagessen schneide ich Silas die Haare. Er hat es dringend nötig, der letzte Friseurbesuch war vor einem halben Jahr in Kapstadt … Ich habe erst ein einziges Mal zuvor in meinem Leben Haare geschnitten, Silas ist also ein echtes Versuchskaninchen. Aber ich muss sage, das Ergebnis kann sich sehen lassen!
Den Rest des Tages verbringen wir am Strand des Lake Langano. Der See hat einen hohen Sodagehalt, so dass das Wasser sehr braun und „dreckig“ scheint, aber in Wirklichkeit ist es ok und vor allem eben bilharziosefrei. Wir genießen also ein langes Bad und den Sandstrand.
Abends haben wir noch Zeit zum Rummy-Spielen und Wizard.

Am heutigen Tag hätten wir eigentlich schon weiterfahren können. Wir wollen uns mit einem Kontakt in Addis Abeba treffen, und dieses Treffen haben wir erst für Freitag vereinbart. Noch ein Tag Pause tut gut, auch wenn es dem ein oder anderen schon ein bisschen langweilig wird… Nach dem etwas ausgedehnten Schulunterricht (morgen dafür wieder weniger, weil wir einen Fahrtag haben werden), liegen faul am Strand in der Sonne und stecken die Nasen in unsere Bücher. Wow, so etwas hatten wir auch schon lange nicht mehr …
Hier auf dem „compound“, so nennt man in Äthiopien und in weiteren afrikanischen Ländern die „Nachbarschaft“- also in diesem Fall das Gelände des Ressorts – wohnen 90 Menschen. Wovon diese Menschen leben und was sie tun, bleibt uns ein Rätsel. Auf jeden Fall sehen wir jeden Tag ca. 10 Männer am Eingangstor sitzen. Dort sitzen sie und unterhalten sich. Tagein, tagaus. So beobachten wir es zumindest in diesen drei Tagen.  Im Restaurant arbeiten dann nochmals ca. vier Leute, dann noch drei in der Bar. Und dann sehen wir ab und zu noch einige Angestellte über den Platz laufen. Alle haben quasi nichts zu tun… Wir als Deutsche sehen an jeder Ecke „Einsatzmöglichkeiten“: Müll wegräumen, Steckdosen reparieren, Klos putzen, Wasserleitungen und Duschen reparieren, … aber das denken wir halt mal wieder typisch deutsch!

Einer der jungen Männer dieses „compounds“ lebt von Serviceleistungen in diesem Ressort, was so viel heißt wie: Er bietet Touristen kleine Dienstleistungen an und wird dann mit einem Tipp bezahlt. Am ersten Tag hat er uns die verkackten Toiletten und nicht funktionierenden Duschen gezeigt, dafür bekam er dann 10 Birr (40 Cent) von uns. Auch ein Campfire wollte er uns schon machen, was wir aber dankend abgelehnt haben. Heute gibt es Catfish im Angebot. Ok, wir nehmen an, denn unsere Vorräte gehen langsam zur Neige. Wir vereinbaren, dass er zwei große Fische für insgesamt 80 Birr (3 Euro) fängt und diese dann für uns zubereitet (50 Birr). Wir hatten irgendwie erwartet, dass er dann zur vereinbarten Uhrzeit mit den fertig gegrillten Fischen bei uns vorbeikommt.
Aber es läuft ein bisschen anders: Der junge Mann kommt am späteren Nachmittag mit vier (nicht zwei) Fischen und mit seinem Bruder zu uns an den Strand. Die Fische sehen ziemlich groß aus. Sie würden die Fische nun für uns zubereiten – allerdings bei uns am Onkel. Ok, Jochen und die Mädels gehen schon einmal mit zurück. Dort nehmen die beiden zwei der Fische aus. Am liebsten wollen sie uns die beiden anderen auch noch aufschwatzen…
Wie wir mit der Zeit herausfinden, haben sie nichts außer den Fischen. Das heißt, alle weiteren Zutaten zum Kochen brauchen sie von uns …. Sie bekommen also Zwiebeln, Tomaten, Knoblauch und Gewürze, und sie kochen das Ganze in unserem Topf auf unserem Gaskocher. Ich mache dann noch einen Topf Reis dazu. Die Verständigung ist sehr schwierig, denn sie können nur ein paar Brocken Englisch. Plötzlich taucht noch ein dritter junger Mann auf. Inzwischen ist die Tomaten-Fisch-Soße fertig, mein Reis auch. Wir decken den Tisch, geben unserem „Freund“ und seinem Bruder noch ein Bier aus und wollen essen. Komischerweise sitzt unser „Freund“ schon am Tisch. Wir haben aber nur fünf Stühle. „Ok“, meint er, „first the children!“ Er geht also davon aus, dass er, sein Bruder und der dritte auch mitessen? Mmh, das war uns aber nicht so ganz klar … Wir beginnen also zu essen, die drei sitzen mit ihren zwei Bier in fünf Meter Entfernung im Gras. Auch ein komisches Gefühl. Aber immerhin haben wir dieses Essen ja gekauft! Wir trauen uns dann nicht, alles aufzuessen, obwohl wir schon noch Hunger gehabt hätten und überlassen den dreien den Rest. Schon ein komischer Deal … wir sind uns sehr unsicher, ob sie uns jetzt „benutzt“ haben – immerhin haben wir den Fisch bezahlt und dann haben auch noch drei Leute davon gegessen oder ist das hier so üblich und wir waren schlechte Gastgeber, weil wir die drei nicht zu uns an den Tisch gebeten haben? Wir wissen es nicht, auf jeden Fall mal wieder eine interessante Erfahrung mit einer anderen Kultur …

Als die drei weg sind, machen wir uns noch die Reste vom Vortag warm – nur damit wir auch wirklich satt sind …