Rückblick vom 29.08.2016
Am Sonntagmorgen machen wir uns auf den Weg zum Massai Mara Nationalpark – der kenianische Teil der Serengeti: Die Gesamtstrecke beträgt immerhin 230 km, die ersten davon gehen noch durch Nairobi – das bedeutet im Normalfall Stau – und die letzten 60km sollen eine üble Schotterpiste sein, so berichten uns zumindest unsere australischen Campingnachbarn. Wir wissen also, dass es ein anstrengender Tag sein wird und richten uns schon darauf ein.
Früh loskommen – wie geplant – schaffen wir irgendwie nicht: Ich stelle meinen Wecker aus Versehen falsch, und dann müssen wir auch noch Chris´ (der Betreiber von Jungle Junction) ferngesteuertes Flugzeug aus den Zweigen eines Baumes retten. Wir fahren mit dem Onkel direkt drunter und versuchen es mit einer Stange von den Zweigen zu befreien … gar nicht so einfach! Als wir es endlich unten haben, ist es bereits halb zehn und dringend Zeit zum Losfahren!

Der erste Streckenabschnitt geht besser als geplant – da Sonntag ist, gibt es nicht ganz so viel Verkehr! Wir verlassen Nairobi schon nach einer knappen Stunde, klettern noch ein wenig auf die Höhe bevor uns die Straße von fast 2000m ü. NN hinabführt in den afrikanischen Graben auf Meereshöhe. Von nun an geht es auf einer perfekt geteerten Straße bis zum Städtchen Narok, die Hauptstadt der hier ansässigen Massai. Die Landschaft ist wunderschön, aber es ist schrecklich vermüllt hier – herumwehende Plastiktüten, wohin das Auge blickt. Ein Wahnsinn, den unsere Zivilisation mit sich bringt!
Ca. 10 km nach Narok endet die schöne Teerstraße in einer Staubpiste, deren erster Teil noch besser ist als gedacht („Was behaupten die denn?“), doch dann nimmt die Qualität rapide ab, sodass wir schließlich mit 10-15km/h auf übelster Wellblechpiste dahinschütteln. Ist das ekelhaft! Ganze 60 km müssen wir durchhalten. Ab und zu gibt es eine Sandstraße neben der eigentlichen Straße, die aber auch nur um wenig besser ist: die Löcher sind tiefer, dafür weniger Waschbrett ….

Ziemlich erschöpft suchen wir uns 6km vor dem Sekenani Gate einen Übernachtungsplatz. Einen Campingplatz wollen und brauchen wir nicht, allerdings ist die Gegend hier so von Massai bevölkert, dass an ein ruhiges Plätzchen im Busch nicht zu denken ist. Also hilft alles nichts, wir schwenken an irgendeiner Stelle von der Straße ab und fragen die herbeirennenden Jugendlichen, ob wir hier vielleicht nächtigen könnten. Zum Glück spricht der junge Mann ganz gut Englisch und er hat nichts gegen unseren Übernachtungswunsch einzuwenden. Jetzt sammeln sich noch weitere Kinder und auch Frauen um unseren Truck herum, starren neugierig auf uns und einige wollen auch gern hineinschauen.
Dann kommen zwei sehr schön gekleidete junge Massai zu uns und teilen uns mit, dass einer der beiden der Häuptling des Dorfes sei. Wir seien seine Gäste und sollen ihm doch bitte noch einige Meter bis vor sein Dorf folgen. Etwas widerwillig fahren wir zu der angewiesenen Stelle. Die beiden sprechen fast perfektes Englisch und es stellt sich heraus, dass sie Tourguides im Nationalpark sind und hier ihr eigenes Touristenbusiness aufziehen wollen. Für die Übernachtung fordern sie 2000 Shilling (20 US-Dollar) pro Person und 1000 Shilling für den Truck. Wow, damit haben wir nicht gerechnet! Wir handeln und werden uns einig: 500 Shilling pro Erwachsener und jeweils 200 für Silas und Juli. Truck und Mio sind kostenlos. Immer noch eine Stange Geld für einen Parkplatz! Aber immerhin werden wir noch zum abendlichen Lagerfeuer und Tanz eingeladen, man bekommt also was für sein Geld!
Wir haben gar nicht so richtig Lust, denn wir sind ja schon einmal bei „ehrlichen“ Massai zu Gast gewesen und da war es eben keine „Touri-Abzocke“. Wir willigen dann trotzdem ein, so ein Tanz kann ja ganz lustig sein und so etwas haben wir auch noch nicht gesehen.

Wir kochen, essen, ziehen uns warm an und gehen um 8 Uhr ans Lagerfeuer. Es ist stockdunkel, das Feuer brennt inmitten des Massai-Krals, einem Kreis aus einfachen Lehmhütten mit Dornenzaun dahinter. Darum herum haben sich schon einige Frauen und Kinder des Dorfes versammelt. Die Frauen haben sich in bunte Massai-Kleider gehüllt und sind wunderschön geschmückt mit vielen Ketten und Ohrringen.
Wir dürfen uns auf kleine Holzschemel ans Feuer setzen, die Frauen beginnen nach ein paar einleitenden Worten unseres „Häuptlings“ zu tanzen. So richtig tanzen kann man es nicht nennen, sie wiegen eher ihren Oberkörper im Rhythmus vor und zurück. Dazu singen sie, wobei es immer eine „Vorsängerin“ gibt und einen Chor, der dasselbe wiederholt. Nach kurzer Zeit wird Omi in die Reihen der Tänzerinnen mit aufgenommen, sie bekommt Massai-Schmuck und ein Ziegenleder umgehängt. Sie nimmt es mit Humor! Als nächstes bin ich an der Reihe und dann schließlich die Kinder und Jochen, und wir singen und tanzen alle gemeinsam. Es ist sehr lustig, und nach einiger Zeit lachen alle.

Dann setzen wir uns wieder um das Feuer, es ist Zeit zum Reden und Fragen stellen. Sie erklären uns das Leben der Massai heute, auch hier hören wir wieder den Zwiespalt zwischen Erhaltung der Traditionen und Anpassung an die Moderne heraus. Das Thema Beschneidung der Frau schneiden sie wieder selbst an und erklären uns, dass es heute nicht oder kaum noch praktiziert wird. Es sind viele Kinder anwesend, denn auch sie sollen ihre eigenen Traditionen noch kennenlernen – so der Häuptling.
Diese Massai hier sind schon einen Schritt weiter als die, die wir in Arusha kennengelernt haben. Wir sind einfach nicht die ersten Touristen, die hier anhalten und sie wollen auch ein „Stück vom großen Kuchen“ abhaben. Dafür vermarkten sie ihre Kultur – und tragen damit auch zu ihrer Erhaltung bei. Schwierig finden wir nur, dass das Preisniveau durch die Lodges und die Eintrittsgebühren auf einem abartig hohen Niveau ist, und das wissen sie hier natürlich auch. So scheint ihnen 20 US-Dollar pro Person ein durchaus angemessener Preis zu sein …. Trotz der „Halbkommerzialisierung“ wird es ein sehr schöner Abend, den wir so schnell nicht vergessen werden. Die Massai sind sehr freundlich und tun ihr Bestes, damit wir uns wohlfühlen.
Ziemlich müde, kaputt und staubig fallen wir gegen 10 Uhr in unsere Betten.

Am heutigen Morgen machen wir uns nach der Verabschiedung von den Massai auf in den Nationalpark. Am Sekenani Gate erstehen wir zuerst einen sogenannten „Transitpass“, mit dem wir innerhalb 2h umsonst einen Teil des Nationalparks queren können, um dann an dem Gate vom Mara River direkt ins „Mara Triangle“ hineinzukommen. Lange haben wir unsere Route durch den Park hin- und herdiskutiert, abgewogen, wie wir die uns zur Verfügung stehende Zeit (24h) wohl am besten nutzen können, ob wir im Park campen sollen (30 US-Dollar pro Person) oder außerhalb, etc. Der Parkeintritt beträgt 80 US-Dollar pro Person, 45 US-Dollar für Kinder und nochmals 20 US-Dollar für den Truck, so dass wir offiziell bei 605 US-Dollar für uns sechs für 24 Stunden Nationalpark samt Übernachtung lägen – und das mit einem „Campingplatz“, der nicht einmal Wasser, geschweige denn Toiletten hat. Also, was tun? … Wir finden einen Weg, bangen und zittern ein wenig und dann sind wir zu einem halbwegs akzeptablen Preis drin.

Die Landschaft ist genauso wie man sich Afrika immer erträumt, so wie wir sie aus den richtigen Afrikaschnulzen und Grzimek-Filmen kennen: eine weite Grassavanne mit Schirmakazien liegt uns zu Füßen, wir lassen den Blick schweifen über unendliche Weiten, darüber der azurblaue Himmel, nur verziert von ein paar weißen Wölkchen. Und schon während unserer 2-stündigen Transitfahrt sehen wir Giraffen, Büffel, Unmengen von Zebras, Gnus und mehr.
Und als wir das Mara-Triangle auf der anderen Seite des Mara-Rivers betreten, laufen uns die Augen über: Tausende und Abertausende Gnus auf ihrer Wanderung von der Serengeti in die Massai Mara. Dieser Tierreichtum überrascht uns, wir meinen unseren Augen nicht trauen zu können. Dazwischen sehen wir auch immer wieder kleinere Herden von Zebras, Heartbeasts, Springböcken, Impalas und auch einige Elefanten. So viele Tiere haben wir noch nie auf einen Haufen gesehen. Die Ebenen sind gesprenkelt voller schwarzer Leiber soweit das Auge reicht. Dazu kommen noch jede Menge Hippos und riesige Nilkrokodile im Mara-River.
Einmal können wir eine große Zebraherde beim Trinken am Fluss beobachten. Sie wagen sich nur langsam hinab, die ersten trauen sich ins Wasser. Bei der kleinsten Bewegung gibt es eine „Massenpanik“ und sie stürmen die steile Uferböschung hinauf, so dass man vor lauter Staub nichts mehr sehen kann. An einer anderen Stelle sehen wir auch ein paar Zebras den Fluss überqueren, die große Herde der Gnus allerdings ist schon diesseits des Flusses angekommen. Nur noch ein kleiner Teil befindet sich auf der anderen Flussseite – vielleicht haben wir ja morgen Glück?
Gleich drei große Tüpfelhyänen sehen wir, außerdem noch einen kleinen Schakal – und wir sind sehr stolz auf unseren heutigen „Jagderfolg“. Jetzt fehlen uns eigentlich nur noch die Löwen, die wir gern noch einmal sehen würden! Wir hoffen auf morgen ….
Wir übernachten im Camp Eluid, es liegt oberhalb des Flusses mit Blick auf die große Ebene im Nationalpark. Wir sind schließlich nur einmal hier!

Das alles hört sich bestimmt traumhaft an: Die Familie in trauter Einigkeit (sogar mit Omi) in der afrikanischen Wildnis umgeben von Tieren – ist es in Wirklichkeit aber auch nicht immer! Vor allem die Streitereien der Kinder trüben ab und zu die Stimmung. Wie kann man sich nur wegen des Abwaschs streiten, wenn vor der Nase die Gnus auf- und abhüpfen? Zum Glück lassen wir (also Jochen und ich) uns davon nicht mehr so runterziehen wie zu Beginn unserer Reise. Wir haben gelernt, es an uns abgleiten zu lassen, wenn bei den Kindern die gegenseitige Toleranzschwelle mal wieder dem Nullpunkt entgegenrast, wenn es Sticheleien und Vorwürfe hagelt oder mal wieder der Futterneid auftritt. Ich versuche, mich nicht mehr so sehr darüber zu ärgern. Manchmal gelingt es mir auch. Zunehmend besser. Man muss es positiv sehen!