Rückblick 20.7.
Als wir an diesem Morgen aufstehen, ist alles pitschnass in und um die Dachzelte. Die Luftfeuchtigkeit in der Nacht war so hoch, dass selbst während des Vormittags unsere Schlafsäcke kaum eine Chance haben zu trocknen.
Heute ist wieder ein Reisetag: zuerst Schule, dann losfahren, einkaufen im „local market“, tanken, Geld holen und weiterfahren. Wir haben uns entschlossen, nun in den Norden Malawis zu fahren, denn hier soll es auch noch einige attraktive Reiseziele am See und in den Bergen geben.
Wir schaffen nur 150 km an diesem Tag. Das liegt einerseits an den Straßenverhältnissen, die eine maximale Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 km/h zulassen und andererseits an der Tatsache, dass nach 150 km der einzige Campingplatz auf der Gesamtstrecke kommt – es ist die Mua Mission, wo wir bereits auf der Hinfahrt zweimal genächtigt haben. Wir sind also schon am Nachmittag da und können gemütlich einen Kaffee trinken. Gemütlich – naja, die Kinder hier begrüßen uns als „alte Bekannte“ und stehen um uns und den Kaffeetisch herum, so dass wir sie immer wieder verscheuchen müssen, um einigermaßen in Ruhe unseren Kaffee trinken zu können. Es ist hart, so vor ihrer Nase im Luxus zu schwelgen und Kekse zu essen, während sie nichts haben und zuschauen. Aber das Problem ist, wenn man ihnen etwas abgibt, so kommt gleich das ganze Dorf und wir bestärken eine Bettelkultur, die wir nicht fördern wollen.

Immer wieder stoßen wir hier auf die enormen Gegensätze zwischen Arm und Reich, zwischen Weiß und Schwarz, besonders hier in Malawi. Die Beschäftigung damit macht uns ganz verrückt im Kopf.
Der Großteil der Bevölkerung ist so arm, dass er sich maximal einen Maispap für den nächsten Tag leisten kann. Die meisten Familien haben sehr viele Kinder und sind dann nicht in der Lage, sich gebührend um sie zu kümmern. Die Kinder hier in der Mua Mission zum Beispiel sind äußerst ärmlich gekleidet mit sehr zerrissenen und dreckigen Kleidungsstücken, einige sehen auch krank aus. Wie kommt das? fragen wir uns – hier gibt es seit 100 Jahren diese Mission, es kommen Touristen hierher und lassen Geld liegen, es gibt eine Schule und ein Krankenhaus, sauberes Wasser (staatlicher Brunnen) und einen Fluss zum Bewässern der Felder. Warum sind die Familien hier immer noch so extrem arm? Warum hat sich nichts geändert in den letzten Jahren? Muss sich überhaupt etwas ändern? Und: Was würde denn helfen? Wir diskutieren uns abendelang die Köpfe heiß und kommen zu keinem Schluss. Die vielen Hilfsorganisationen und internationalen Projekte jedenfalls sind oft nicht hilfreich. Im Gegenteil, viele Projekte sind total sinnlos. Wir haben hier zum Beispiel zwei Südafrikaner getroffen, die von einer britisch-amerikanischen Hilfsorganisation aus beauftragt sind, 64 malawische Krankenhäuser mit Kühlräumen für Medikamente zu versorgen. Das heißt, sie reisen mit dem entsprechenden Material aus Südafrika durch das Land von Krankenhaus zu Krankenhaus und stellen innerhalb von 5 Tagen eine Art Garage mit zwei Klimaanlagen und Generator neben ein Krankenhaus, in dem es aber in Wirklichkeit am nötigsten fehlt und das wahrscheinlich nicht einmal Medikamente besitzt.

Es fällt schwer, diese Gegensätze auszuhalten und trotzdem den eigenen „Luxus“ (wenn ich mal Onkel Deutz als Luxus bezeichnen darf) zu genießen ohne schlechtes Gewissen. Ich bin für mich aber zu dem Schluss gekommen, dass wir es trotzdem dürfen. Ja, es gibt diese Gegensätze und wir werden sie nicht überwinden. „Unsere“ Welt ist so unglaublich weit weg von der Welt der Menschen hier – genauso wie die Welt von Madonna oder Bill Gates weit weg ist von unserem Alltag. Und trotzdem denken wir nicht die ganze Zeit, wie schön es wäre, so reich wie Bill Gates zu sein. Ich stelle mir vor, dass wir für die Menschen aus Malawi genauso unerreichbar sind wie Bill Gates für uns.