Wow, was für ein Gefühl wieder in Europa zu sein! Wir können es noch gar nicht so richtig fassen, denn in den letzten Tagen ging alles Schlag auf Schlag: Organisation der Verschiffung in Alexandria, dann noch die Tage in Kairo, jetzt der Flug. Und dann stehen wir ganz plötzlich in Rom, es ist 13 Uhr. Europa. Wir laufen einfach so durch die Passkontrolle. Es dauert wirklich keine Minute. Und fast zeitgleich bekommen wir die Nachricht, dass Familie Vosseberg, mit der wir einige Tage in Luxor gemeinsam verbracht haben, für die Grenze Ägypten – Sudan acht Stunden gebraucht hat!
Europa – zuerst fällt uns die saubere klare Luft auf. Nach dem dichten Smog in Kairo und dem Staub im Sudan/Ägypten nun wieder Luft zum Durchatmen. Und dann: Es gibt wieder Schilder, die einem sagen, wo es langgeht. Egal ob im Flughafen oder auf der Straße. Schilder, die wir zudem noch lesen können! Und die Sauberkeit natürlich! Kein Müll, kein Gestank. Mülleimer (mit Mülltrennung) an jeder Ecke. Nicht zu vergessen das Essen: beim ersten Einkauf heute in einem riesigen Supermarkt laufen uns die Augen über – es gibt wieder Schinken (dazu noch leckeren italienischen!), Käse, Wein, Brot, Joghurt, Schokolade, Schweinefleisch! Am liebsten würden wir den ganzen Supermarkt leerkaufen (was leider nicht geht, weil wir ja mit unseren schweren Rucksäcken unterwegs sind)! Ach ja, und man kann das Wasser aus dem Wasserhahn einfach so trinken. Es schmeckt nicht einmal nach Chlor.
Auf der anderen Seite: In Kairo sind wir den ganzen Tag nicht so oft angerempelt worden wie in der ersten halben Stunde vor dem Flughafen Roms, als wir etwas verzweifelt nach einer halbwegs bezahlbaren Möglichkeit suchen, um in unser 12 km entferntes Appartement zu kommen. Die Leute gehen zielstrebig ihren Weg ohne Rücksicht auf Verluste … Und natürlich auch keine gut gemeinten Hilfsangebote „Where do you want to go? Can I help you?“ … Ja, und was die Preise angeht: 10 Euro pro Person (also für uns 50 Euro) kostet ein Taxi für 12 km vom Flughafen zu unserem Appartement. Oder ein Zugticket (nur eine Station) für 8 Euro pro Person. Zum Glück sind die Kinder etwas günstiger, so dass wir uns nach langem Hin und Her doch für den Zug und Laufen entscheiden.
Es ist irgendwie der Hammer und für uns noch nicht ganz fassbar wieder hier zu sein. Wie privilegiert wir sind, dass wir in Europa – noch dazu in Deutschland – aufgewachsen sind und dies unsere Heimat nennen dürfen, wird einem besonders wieder nach einer solchen Reise bewusst. Afrika war der Hammer – in vielerlei Hinsicht. Wir würden immer wieder so entscheiden und diese Reise genauso machen, aber trotzdem sind wir auch froh, Afrika jetzt hinter uns gelassen zu haben. Wir sind so voller Eindrücke und Erfahrungen, die erst einmal verarbeitet werden müssen. Dafür braucht es Zeit und die wollen wir uns hier in Italien noch nehmen.
Gestern Abend haben wir ein kleines Resumee gemacht:
Was haben die Kinder gelernt? Sie sind auf jeden Fall offener geworden: So wie sie sich gleich mit den italienischen Nachbarkindern in unserem Appartement heute angefreundet haben, hätten sie das früher nie getan.
Auch ertragen sie so einiges mit mehr Geduld und Gelassenheit: Wenn wir irgendwo ankommen, nichts wissen und es eine Weile dauert bis wir herausgefunden haben, wohin der richtige Weg führt, dann wird nicht gemeckert, weil wir zweimal einen Kilometer in die falsche Richtung gelaufen sind. Auch ein schwerer Rucksack wird einfach getragen, weil sie erkennen, dass es notwendig ist und dass wir unser Bestes geben, um die Situation so erträglich wie möglich zu machen.
Und natürlich sind sie auch selbständiger geworden, gereifter. Vielleicht merken wir das gar nicht so, denn wir haben diesen Prozess ja miterlebt. Ich denke, sie wird so schnell nichts mehr aus der Bahn werfen …. Sie haben gelernt, auch in schwierigen Situationen nach einem Ausweg zu suchen ohne gleich in Panik zu geraten.
Ja, und dann sind da noch die erfreulich guten Englischkenntnisse bei allen dreien. Darauf können wir alle stolz sein.
Für uns als Familie ist/war es eine extrem intensive Zeit: Die Kinder hatten viel seltener jemanden zum Spielen als wir uns erhofft hatten. Aber dadurch sind sie – wir alle – sehr eng zusammengewachsen. Der (Geschwister-)Streit der ersten Monate hat im Laufe der Reise deutlich nachgelassen. Es ist so schön zu beobachten, wenn sie gemeinsam unterwegs sind und die Welt um sich herum erkunden – von groß zu klein.
Würden wir es wieder tun? Ja, auf jeden Fall. Auch Afrika? Ja, auch wenn es teilweise anstrengend war, vor allem als Familie. Nein, es war definitiv keine Urlaubsreise. Natürlich gab es Phasen der Entspannung und Erholung. Aber die Tage waren konstant angefüllt mit Organisieren, Schule, Kinder beschäftigen, Einkaufen, Fahren, Sich-auf-fremde-Menschen-einlassen, etc. Es war spannend, interessant, manchmal vielleicht auch überfordernd. Alles, aber kein Urlaub.
Auf was freuen wir uns jetzt? Auf geregelte, über- und durchschaubare Abläufe. Darauf, nicht mehr organisieren zu müssen. Darauf zu wissen, was man wo einkaufen kann. Auf vertraute Umgebung. Auf Errungenschaften der modernen Welt wie Spülmaschine, Staubsauger, Waschmaschine und Föhn.
Wir freuen uns auch wieder auf etwas „Kinder-Freizeit“, d.h. die Kinder auch mal wieder los zu sein. Nach zehn Monaten auf engstem Raum, verantwortlich für alles, was die Kinder betrifft, freuen wir uns wieder auf Zeit für uns – als Paar und auch allein. Aber das alles werden wir größtenteils erst zuhause haben ….
Wir werden die verbliebene Zeit hier in Italien nutzen, um zurückzuschauen und zu verarbeiten. Da wird das ein oder andere Resumee noch folgen …
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