Silas_BahatiAm Sonntagmorgen kamen drei Massai zu uns. Bahati und Kuryanga kannten wir schon von der Wanderung zum Ngozi Krater, aber es kam noch Bahatis Cousin Paul mit. Sie hatten gesagt, dass sie uns ihre Familie zeigen wollen, abgesehen davon hatten wir keine Ahnung, was sie mit uns vorhaben. Sie sagten, dass Bahatis Dorf eine Stunde von hier entfernt sei, und wir zu diesem mit Onkel Deutz fahren sollen. Wir beschlossen nach dem Mittagessen aufzubrechen. Die Massai kannten weder Käse noch Müsli und aßen so gut wie nie Brot. Deshalb machten wir noch ein bisschen Reis. Paul probierte Müsli, und er sagte, es sei lecker, aber ich war mir nicht sicher, ob das stimmte. Dann fuhren wir los. Wir kauften noch als Gastgeschenk für Bahatis Eltern Decken, die sie als Kleidung benutzen. Der letzte Kilometer zum Dorf war eigentlich nur ein Fußweg, und wir mussten durch ein paar üble Gräben rumpeln. Dann sahen wir das Dorf. Es war von einem Ring aus Pflanzen umgeben, denn vor ein paar Jahren hatte es hier noch Löwen gegeben. Das Dorf bestand aus ungefähr 12-16 Hütten, die Hütten waren aus Bambus, Kuhfladen und Lehm, das Dach aus Stroh. Wir parkten in der Mitte des Dorfes.
Als erstes begrüßten wir Bahatis Vater, wir Kinder neigten den Kopf und er legte seine Hand darauf. Er ist der Chef des Dorfes. Das Unglaubliche fand ich, dass das ganze Dorf aus einer Familie bestand. Das kann man sich so erklären: Bahatis Vater, der schon 84 Jahre alt ist, hat neun Frauen, die insgesamt um die 50 Kinder haben. Jeder von Bahatis Brüdern hatte schon zwei Frauen, er selber war noch nicht verheiratet. Die Frauen hatten alle riesige Löcher in den Ohren für Schmuck. So groß, dass man hätte drei Finger durchstecken können. Sah für mich nicht so schön aus.

Danach verteilten wir noch Süßigkeiten an die Kinder, die wir auch gekauft hatten. Bahati, Kuryanga und Paul mochten Kaffee, und so setzten wir uns in eine Hütte und tranken Kaffee. Dann passierte für uns glaube ich das schlimmste, für die Massai die höchste Ehre und größte Freude: Sie schlachteten für uns eine Ziege! Juli und Mio brachen in Tränen aus, und ich musste mich schwer beherrschen. Die Massai verstanden das gar nicht, sei freuten sich darauf. Sie zeigten uns die Ziege, es war eine schöne und große. Wir sollten es eigentlich mitansehen, aber das machte dann nur Papa. Später sollten wir noch beim Fell abziehen und Schlachten dabei sein. Paul bat mich darum zuzuschauen. Er sagte, ich müsse stark sein, weil ich ein Junge bin. Ich wankte mit meinen Gefühlen. Schließlich schaute ich ein bisschen zu. Am folgenden Abend sagte Paul mir mehrere Male, nun habe ich etwas gelernt, und wäre mehr zum Mann geworden.

Zum Abendessen waren wir natürlich eingeladen. Bahati sagte, es sei um 7:00 Uhr fertig. Bis dahin malten Juli, Mio und ich noch jeder ein Bild. Mio malte unser Haus, Juli eine Kirche und ich den Onkel Deutz. Um 7:00 Uhr standen wir vor dem Onkel Deutz und warteten auf das Abendessen. Die einzigen die Englisch konnten, waren Paul, Kuryanga und Bahati, und die waren verschwunden. Und so schauten wir mal in das Haus, wo sie gerade die Ziege brieten. Einer fragte irgendwas, aber wir verstanden es nicht. Da kam gerade Bahati, und wir fragten ihn, was der eine gesagt hätte. Er hatte gefragt, ob er Juli oder Mio heiraten dürfe. Und das war ernst gemeint! Denn bei den Massai muss man immer zuerst die Eltern fragen, wenn man jemanden heiraten will.
Dann warteten wir noch mal eine Weile bis Kuryanga kam und uns in eine Hütte bat. Endlich essen! Aber dann saßen wir in der Hütte und das Essen kam immer noch nicht. Erst ungefähr um 9:00 Uhr war es dann soweit. Wir wurden sehr nobel bedient. Es gab Ziegenfleisch, gebraten oder gekocht, Reis und einen riesigen Obstteller mit Melone, Orange, Banane, Avocado, Papaya, Gurke und eine Karotte. Wir aßen mit Bahati, Paul, Kuryanga, Bahatis Eltern und noch mit zwei anderen Massai (ich glaube, es waren Bahatis Brüder). Es war alles sehr lecker bis auf das Ziegenfleisch. Erstens wegen des Geschmacks und zweitens, weil ich die Ziege davor gestreichelt hatte und zugeschaut hatte, wie ihr das Fell abgezogen wurde. Eigentlich esse ich ja auch sonst manchmal Fleisch, aber da hab ich das Tier davor ja nicht gesehen.

Nach dem Essen sollten wir unsere Geschenke überreichen. Aber Bahati sagte, erst überreichen seine Eltern ein zweites Geschenk (das erste war die Ziege), das immer eine Überraschung sei. Ich flüsterte Juli zu: „Hoffentlich schlachten sie keine Kuh!“ Aber das Geschenk war viel schöner und besser:
Als erstes überreichte Bahatis Vater Papa und mir eine Kette aus Perlen. Dann schenkte seine Mutter Mama, Juli und Mio jeweils Ohrringe. Sie fanden es sehr komisch, dass Juli und Mio noch keine Löcher in den Ohren haben. Jetzt überreichten wir unsere Decken und Bilder. Danach bekamen wir noch einen ganzen Karton voller Getränke, das fanden wir dann doch ein bisschen zu viele Geschenke. Nach diesem Tag fielen wir todmüde in die Betten und schliefen sofort ein.

Am nächsten Tag wollte Juli mit den Eseln Wasser holen gehen. Eigentlich sollte es nur eine Stunde dauern, aber sie waren den halben Tag weg.
Wir spielten mit den Kindern, die einfach wegen uns nicht in die Schule gegangen waren, Ball oder wir führten Einradfahren und Jonglieren vor… bis zum Mittagessen hatten wir ja noch Zeit.
Zum Mittagessen gab es dann das Gleiche wie am Abend zuvor. Danach wollten sie uns noch wie Massai kleiden. Papa und ich bekamen jeder vier Decken umgewickelt. Es war erstaunlich bequem. Wir machten noch ein paar Fotos, und Mio und ich spielten etwas auf der Flöte vor. Der Abschied war sehr herzlich. Bahati wollte uns noch die Decken schenken, die wir anhatten, aber wir sagten, es sei zu viel. Wir schenkten ihm aber noch ein Taschenmesser, denn er hatte es am Abend zuvor gesehen und es “very nice“ gefunden.

Bei der Rückfahrt kamen wieder Bahati, Kuryanga und Paul mit, aber auch noch das Familienoberhaupt und zwei weitere, die zu einem Markt mussten. Erst brachte einer ein Huhn mit in Onkel Deutz, aber das kam dann doch nicht mit.
Es waren sehr eindrucksvolle Tage, die ich nie vergessen werde.