Wir beeilen uns nicht an diesem Sonntagmorgen. Wir wollen nur kurz einen Blick auf die großen Pyramiden werfen, denn schließlich sind sie ja eins der sieben ersten Weltwunder und dann in Richtung Alexandria fahren. Morgen müssen wir bei CFS (unserer Spedition) im Büro stehen, um in voraussichtlich 1,5 Tagen den Papierkrieg zu bewältigen, der für die Verschiffung von dem Onkel aus Ägypten heraus notwendig ist.

Hier auf der Farm ist es ruhig und angenehm. Nichts zieht uns hinaus in das Chaos von Kairo. Auf dem Hinweg haben wir die Pyramiden schon von der Autobahn aus gesehen. Um sie herum nichts als Straßen und Großstadtlärm. Gehört bzw. gelesen haben wir, dass man mit den dortigen Bakschischjägern den letzten Glauben an die Ägypter verlieren kann.
Wir diskutieren sogar eine Weile, ob wir überhaupt hinsollen. Anscheinend gibt es gegenüber dem Eingang auch einen Pizza-Hut, von dem man einen guten Blick auf die Pyramiden und die Sphinx haben soll. Eigentlich auch keine schlechte Alternative. Wir entscheiden uns dann aber doch für die Pyramiden direkt, denn schließlich sind wir nur einmal hier (und werden wahrscheinlich auch nie wieder herkommen …).

Wir machen es also gemütlich: spätes Frühstück, ein Schwätzchen hier und dort, so dass es schon fast Mittag ist bis wir aufbrechen. Birgit verabschieden wir hier an der Farm, sie will nicht mit zu den Pyramiden kommen, weil sie sie schon einmal gesehen hat und lieber das Taxi von der Farm nimmt. Wieder einmal ein Abschied, doch diesmal wissen wir, dass es nicht mehr so lange dauern wird bis wir sie wiedersehen!
Bevor wir die 10 km zu den Pyramiden fahren können, brauchen wir aber noch Diesel. Mohammed von der Al Sorat Farm fährt extra ein paar Kilometer vor uns her, um uns den Weg zur nächsten verlässlichen Tankstelle zu zeigen. Sehr nett. Und er will nicht einmal Geld dafür!

Dann sind wir da. Wir parken am Eingang der Sphinx – dort, wo auch der Pizza-Hut ist … aber nein, wir essen jetzt keine Pizza, sondern schauen uns die Pyramiden an. Der Eintritt ist überschaubar (80 Pfund pro Erwachsener (8 Euro) und 40 Pfund pro Kind) und dann stehen wir direkt davor. Es ist kaum etwas los.
Ein Ägypter in einer Galabia spricht uns an. Er sei Regierungsvertreter und wäre von der Regierung abgestellt, Touristen vor den Bakschischjägern zu beschützen. Zeigt uns sogar seinen Ausweis. Er würde uns herumführen und wir müssten nichts bezahlen, sein Gehalt wäre durch die Eintrittskarten gedeckt. Wir sind misstrauisch, aber eine Weile hören wir ihm zu. Wie gern wären wir jetzt allein hier durchgelaufen!
Wir folgen Achmed (oder war es Mohammed?) durch die diversen Ausgrabungsstätten, die sich unterhalb der Pyramiden befinden. Er läuft einfach quer durch ohne Rücksicht auf Absperrketten etc. Als wir an einer der großen Pyramiden ankommen, schlägt er vor, jetzt Kamele oder Pferde zu nehmen, um in die Wüste zu reiten und alle neun Pyramiden von der Ferne auf einmal zu sehen. Wir sagen ihm, dass wir keine Kamele wollen. Und Silas, der eigentlich in die kleine Pyramide hineinwollte, weil wir gehört haben, das sei umsonst, lehnt dies plötzlich auch ab, weil unser lieber Achmed behauptet, das würde 100 Pfund extra kosten. Daraufhin verabschiedet sich unser lieber Regierungsvertreter plötzlich ganz schnell – nicht ohne von uns Geld für seine Dienste zu verlangen!! Wir haben echt keinen Bock mehr!! Dieses ganze Gehabe geht uns dermaßen auf den Keks ….

Schön ist, dass wir nun die Pyramiden selbst erobern dürfen. Und sie sind wirklich eindrucksvoll groß. Riesig. 130 Meter Höhe und über 200 Meter Seitenlänge. Allerdings sind nur die untersten beiden Schichten tatsächlich aus überdimensionalen Steinquadern gebaut, die Steine darüber kommen uns durchaus „transportierbar“ vor, selbst mit den Hilfsmitteln von vor 5000 Jahren. Wir laufen ein bisschen um die Pyramiden herum, in die großen kommt man tatsächlich nur gegen ein extra Ticket hinein, aber das wissen wir ja bereits.
Die Pyramiden sind toll, doch durch das Drumherum büsen sie aus unserer Sicht einen großen Teil ihres ehemaligen Charmes ein. Eigentlich sollten diese Urgetümer inmitten einer einsamen Wüste stehen. Eigentlich sollte der Besucherstrom so geregelt sein, dass es einen eindeutigen (vielleicht sogar gepflasterten?) Rundweg durch die Pyramiden gibt. Ein paar Tafeln mit Erläuterungen zu den Pyramiden wären auch schön.
Stattdessen herrscht das pure Chaos: Kameltreiber wirbeln eine riesige Menge Staub auf, wenn sie um die Pyramiden preschen, die Menschen laufen kreuz und quer über alles hinweg – egal, ob irgendwo Bereiche mit Ketten abgesperrt sind oder nicht – Autos, Busse, Pferdekutschen, Tuktuks befahren die Straßen rund um die Pyramiden, tausende fliegende Händler versuchen ihre Waren an die wenigen Touristen zu verkaufen, man läuft durch Sand, Dreck und Müll, kurz: Atmosphäre stellen wir uns anders vor. Da war der Weg durch das El Hitan doch ein wahres Musterbeispiel dafür, wie man Natur erhalten und doch dem Menschen zugänglich machen kann! Aber wahrscheinlich sind wir einfach noch immer zu deutsch – selbst nach einem knappen Jahr Afrika.

Zwei Stunden und viele Fotos später setzen wir uns total verstaubt in den Onkel und machen uns auf den Weg nach Alexandria. Trotz der Widrigkeiten sind wir froh, dass wir die Pyramiden nun mit eigenen Augen gesehen haben! Das muss man, sonst war man doch nicht richtig in Ägypten!

Es ist schon reichlich spät, zum Glück haben wir keinen Stau und kommen relativ zügig aus Kairo heraus. Wenn da nur nicht die Zahlstelle gewesen wäre! Hier werden wir nämlich zurückgeschickt. Ja, vor ein paar Kilometern gab es mal eine Spur für LKWs … Mist, da müssen wir wohl oder übel hin. Das heißt, 6 km zurückfahren, U-Turn machen und Spur suchen. Da ist sie ja! Eine Viertelstunde später sind wir an einer anderen Seite der Zahlstation. Nun wollen sie 500 Pfund (50 Euro) von uns! Wir glauben es nicht und diskutieren mit dem jungen Mann, der das Geld kassieren will – er auf Arabisch, wir auf Deutsch, das funktioniert ganz wunderbar! 500 Pfund zahlen wir nicht. Bisher hat es nie mehr als 20 Pfund gekostet.
Da hilft nichts als nebenan fahren und den Chef holen. Chef nicht da. Schließlich kommt er. In der Zwischenzeit zapfe ich alle meine ägyptischen Kontakte per WhatsApp/Facebook an, um herauszufinden, ob dieser Betrag sein kann. Kann er nicht. Das sagt dann schließlich auch der Chef. Wir sind nämlich kein LKW, sondern nur ein Wohnmobil. So. Und das kostet nur 20 Pfund. Hätten wir das auch geklärt.

Wir fahren bis ca. 50 km vor Alexandria, dann suchen wir uns eine „Raststätte“ – oder was wir dafür halten. Komischerweise hat die Raststätte lauter Tiere in viel zu kleinen Käfigen: Es gibt einen Löwen, Wüstenfüchse, Hunde, Krokodile, Vogelsträuße, Schildkröten, … Essen gibt es auch, also setzen wir uns. Wir sind – ich brauche es wohl nicht mehr zu erwähnen – mal wieder die einzigen Gäste. Aber wir bekommen unser gegrilltes Chicken … ich glaube, wenn wir zuhause sind, werden wir erst einmal monatelang keine Hühnchen mehr sehen können.

Die Nacht wird unruhig werden, denn direkt vor dem Onkel brausen die LKWs vorbei. Egal. Oropax wird´s richten, hoffe ich. Morgen steht uns dann Alexandria und erneuter Papierkrieg bevor. Wir haben gar keine Lust mehr. So ein bisschen neidisch sind wir schon auf Birgit, die sich einfach in den Flieger setzt und einige Stunde später daheim ist ….
Aber wir hoffen, dass wir am Dienstagnachmittag fertig sind und dann werden wir unseren Onkel schweren Herzens in Alexandria stehen lassen müssen. Nach dem ursprünglichen Plan wäre am Donnerstag das Schiff gen Italien abgefahren. Leider haben wir vor gut einer Woche erfahren, dass dieses Schiff – gerade dieses Schiff – ausfällt und dass der Onkel erst mit dem nächsten mitkommt (am 3.11.). Da hatten wir aber unsere Flüge nach Rom schon gebucht. Außerdem laufen unsere Visa aus. Und der Onkel hat auch keine längere „Aufenthaltsgenehmigung“. Das heißt nun, wir fliegen (am Samstag, 29.10.) und lassen den Onkel zurück. Im Vertrauen darauf, dass die Ägypter schon alles richtigmachen werden – haha!
Wenn (Falls) dann alles gut geht, wird der Onkel am 9.11. in Salerno ankommen. Bis dahin werden wir uns also ohne Onkel in Italien vergnügen müssen. Das ist ganz schön lang. Morgen packen wir unsere Rucksäcke und können dann die Erfahrung machen, wie man als Rucksackreisende so unterwegs ist.