Nachdem wir heute Morgen einmal wieder (eigenen) Schulunterricht mit Silas, Juli und Mio gemacht haben, weil hier nationaler Feiertag und daher auch kein Kindergarten ist, treffen wir uns um zwei Uhr mit Haiwa am Kindergarten. Zu Fuß gehen wir gemeinsam nach „Lands End“ und „Canada Camp“, das sind die beiden Dörfer, in deren Einzugsgebiet der Kumbali Kindergarten liegt. Sie liegen nicht weit von Lilongwe entfernt, es handelt sich definitiv nicht um einen Slum, und doch sind die Menschen hier ärmer als alles, was wir bisher gesehen haben!

Es ist unglaublich, in was für winzigen Hütten die Menschen hier leben (das „Wohnzimmer“ hat maximal die Größe unseres Badezimmers zuhause). Es gibt weder Strom noch fließend Wasser, ganz zu schweigen von einer Küche oder irgendwelchen Einrichtungsgegenständen in den Häusern. Gekocht wird vor dem Haus über einem offenen Feuer. Immer. Wasser wird in Eimern und Zubern vom zentralen Wasserhahn bzw. von der Pumpe geholt. Wäsche gewaschen wird im Fluss. Es gibt weder Schränke noch Regale oder auch nur ein Bett. Geschlafen wird auf einer Matratze auf dem Boden. Auch die beiden Erzieherinnen Esther und Haiwa, sowie Sai (Manager des Cultural Village und des Kindergartens) und viele Angestellte aus der Lodge bzw. dem Cultural Village wohnen hier. Wir treffen also auf „alte Bekannte“ – aber vor allem auf eins: unzählige Kinder! Sobald wir im Dorf eintreffen, entdecken uns die Kinder. Sie rufen: „Mzungu! Mzungu!“ und folgen uns auf Schritt und Tritt. Von anfangs 10-15 Kindern schwillt die Menge an auf bis zu 200 (geschätzt), je weiter wir durch das Dorf kommen. Sie wollen uns anfassen, sie wollen, dass wir Fotos von ihnen machen und mit ihnen spielen. Diese Chance nutzt vor allem Mio und tobt umringt von mindestens 20 Kindern durch die Straßen. Von überall her schallt es: „Mio! Mio!“ – so, dass es ihr ab einem gewissen Punkt zu viel wird und sie Schutz bei uns suchen muss.

Eine Zeitlang beobachten wir eine Runde von ca. 10 Männer beim Bao-Spiel, das ist ein afrikanisches Brettspiel mit Murmeln, das wir nicht durchschauen, weil die Männer so schnelle Züge machen. Wieder sind wir umringt von unzähligen Kindern.
Wir ziehen weiter: zum Fluss und dann zum kleinen Marktplatz des Ortes. Wir kommen vorbei an einer Straßen-Garküche: Eine Frau sitzt auf dem Boden und frittiert Kartoffeln über dem offenen Feuer in einer Pampe aus Mehl noch etwas Undefinierbarem. Wir probieren – es schmeckt hervorragend, sogar die Kinder finden es gut. Tausend Augen verfolgen jede unserer Bewegungen. Der Lärm ist ohrenbetäubend, als zuerst Silas seine Kartoffel in den Staub fällt und einige Minuten später auch noch Jochen. Diese Mzungu sind doch ungeschickt ….! Aber es ist ein fröhliches Lachen.

Auf dem Markt kaufen wir eine Tüte Tomaten und etwas, das aussieht wie Salat. Wir hoffen, wir werden es überleben, wenn wir das heute zu Abend essen. Dann gehen wir weiter, besuchen Sai´s Haus und werden von seiner Frau hereingebeten. Sai selbst ist bei der Arbeit, seine Frau empfängt uns schönstens gestylt in einer Art Ballkleid und mit ihrer zweijährigen Tochter auf dem Arm. Eigentlich sollte man vermuten, dass ein Paar, bei dem beide Vollzeit in gut bezahlten Jobs arbeiten (er als Manager, sie als Lehrerin im Bauwesen) sich ein Mittelklassehaus mit Strom und Wasseranschluss leisten können müssten. Aber auch Sai wohnt in einem sehr kleinen Haus fast ohne Möbel. Immerhin gibt es im Wohnzimmer einige Korbstühle, auf die wir uns setzen können. Wie man hier in Malawi zu Geld kommen soll, ist uns ein Rätsel, wenn nicht mal die beiden es schaffen.
Während wir im Haus sind, wartet die Kindermeute draußen auf uns. Sie freuen sich riesig, als wir nach einer knappen halben Stunde wieder erscheinen. Wir laufen noch zu Haiwa´s Haus, doch nun ist es schon spät geworden und es reicht nicht mehr, gemeinsam einen Maispapp zu kochen, so wie es sich Haiwa vorgestellt hat. Das holen wir auf jeden Fall nach! Mit einem Gefolge, das einem König würdig wäre, ziehen wir aus dem Dorf aus. Auf dem Weg zum Kindergarten verabschieden wir die Hundertschaft und sind doch auch etwas erleichtert, in die Ruhe unseres Onkel Deutz zurückkehren zu können.
Was für ein eindrucksvoller Nachmittag!